« Die Zeiten ändern sich » Weinseller Journal Martin Walkers Périgord
Château Terre Vieille lädt ein, in die reiche Geschichte des Périgord einzutauchen, während man den lokalen Wein geniesst. Die Reise geht von prähistorischen Funden bis zur Zeit von König Ludwig XVI.
Es ist mir immer ein besonderes Vergnügen, den Weinberg von Château Terre Vieille auf dem bewaldeten Plateau von Pécharmant zu besuchen. Das Gebäude und die Gärten sind schlichtweg bezaubernd, die alten Taubentürme sind prächtig, und wer im Vorbeifahren die Schilder übersieht, die darauf hinweisen, dass hier Hühner frei herumlaufen dürfen, wird spätestens durch die grossen, bunt bemalten Holz-Silhouetten von stolzen Hähnen am Strassenrand daran erinnert. Der Degustationsraum von Terre Vieille enthält eine beeindruckende Sammlung prähistorischer Stein- und Feuersteinwerkzeuge, Handbeile, Klingen und Schabmesser, die allesamt auf dem Grundstück gefunden wurden.
Ein veritables Festmahl für zwei Personen
Mittags bieten die Besitzer neuerdings ein wunderbares Picknick an. Für 30 Euro bekommt man eine grosse Holzkiste mit Wasserflaschen, Brot, Pasteten, Käse, Obst und Salat: ein veritables Festmahl für zwei Personen samt einem Glas Wein für beide. Tische und Stühle stehen einladend unter den Bäumen und das Picknick wird angeboten, bis das frische Brot ausgeht.
Den Weinberg von Château Terre Vieille
« GRATELOUP », an dem sich gerne Wölfetummeln
Château Terre Vieille erzählt aber auch viel Historisches aus neuerer Zeit. Die acht Hektaren, in deren Zentrum das Gebäude steht, sind unter dem Namen «Grateloup» bekannt, ein alter Begriff für einen Ort, an dem sich gerne Wölfe tummeln. Grateloup war auch die Heimat des etwas abstrusen Philosophen Maine de Biran, der sich in seinem Denken vom lockeschen Sensualismus über den Intellektualismus zum theosophischen Mystizismus entwickelte, bevor er schliesslich in den Schoss der katholischen Kirche zurückkehrte. Als junger Mann war er 1789 Mitglied der königlichen Garde, als König Ludwig XVI. nach der Französischen Revolution aus Versailles weggeschafft wurde. In dieser Periode begann Maine de Biran, sich mit Philosophie zu beschäftigen und wandte sich der Politik zu, wurde jedoch wegen seiner Sympathien für die Königstreuen aus dem Rat der Fünfhundert ausgeschlossen. Dafür rächte er sich 1813, als er an der Kommission teilnahm, die gegen Napoleon opponierte, was letztlich zu dessen Sturz führte. Nach der Wiederherstellung der Monarchie im Jahr 1815 wurde Maine de Biran Schatzmeister in der Deputiertenkammer.
Terre Vieille hat schon immer einen erstklassigen Pécharmant hergestellt, aber ich interessierte mich besonders für einen anderen Wein, nämlich den X Vin. X steht hierbei als römisches Zeichen für 10 – auf Französisch «dix». Der Name wird folglich «Divin» ausgesprochen – eine sehr hübsche Idee. Aber es ist auch wirklich ein ausgezeichneter Wein und ein IGP-Wein ohne die strengeren Regeln der Appellation d’Origine Contrôlée. Er ist leicht und unkompliziert zu geniessen, ist aber dennoch ein ernstzunehmender Wein. Der herrlich knackige und verführerische Rosé kostet 9,50 Euro pro Flasche und der schöne Rotwein ist für 10,40 Euro zu haben.
X steht hierbei als römisches Zeichen für 10
Es werden drei Versionen des Pécharmant produziert. Die erste besteht zu je einem Drittel aus Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, wird ohne Fasslagerung vinifiziert, heisst «Chevalier» und kostet 12 Euro pro Flasche. Die zweite Version ist der «Château Terre Vieille», er verbringt 20 Monate im Fass, und der Jahrgang 2018 kostet 16 Euro pro Flasche. Für den 2015er bezahlt man 19 Euro. Der 2018er, der gerade erst in den Handel kommt, ist meiner Meinung nach ausgezeichnet, reich und samtig, aber mit dem starken Rückgrat, das einen guten Pécharmant auszeichnet. Er bezieht seinen Charakter aus dem kieseligen Boden und der tiefen Schicht aus mineralreichem Ton, die als «Tran» bezeichnet wird.
Ausserdem gibt es noch einen ganz besonderen Wein, der nur
in den exzellenten Jahren hergestellt wird, namens «l’Ambroisie»; der 2015er kostet hier 41 Euro. Zu empfehlen ist die preiswerte Degustationskiste mit sechs Flaschen für 88 Euro. Sie enthält eine Flasche des X Vin, zwei Flaschen Chevalier und je einen Pécharmant aus den Jahren 2016, 2017 und 2018.
Ich habe mich sehr gefreut, bei meinem Besuch Pierre Monteil, der heute das Weingut leitet, persönlich zu treffen. Er ist der Sohn von Gérôme Monteil, dem Gründer von Terre Vieille, der zusammen mit seiner Frau Dolores vor dreissig Jahren begann, hier Wein zu produzieren. Pierre ist auf Terre Vieille aufgewachsen. Der schlanke, tatkräftige Mann kennt jeden Zentimeter des Grateloup und der anderen sieben Hektaren in der Nähe des Dorfes Saint-Sauveur. Er experimentiert mit neuen Ideen, pflanzt einige Chenin-Trauben und macht ein Fass Wein ohne Sulfite, weil er weiss, dass der Klimawandel so einige Änderungen in der Weinherstellung nötig machen wird. «Früher war der Merlot die einfachste Rebsorte, aber das ändert sich mit dem Klimawandel und er wird mehr Pflege brauchen. Cabernet wird dann die einfache Traube sein», ist er sich sicher.
Cabernet wird dann die eifache Traube sein
Im Gegensatz zu vielen anderen der neuen Winzergeneration hat Pierre weder eine Weinfachschule wie zum Beispiel La Brie, südlich von Monbazillac, noch eine Universität mit speziellem Weinschwerpunkt wie in Bordeaux besucht. Stattdessen hat er Jura und Wirtschaft studiert und einige Jahre für ein Champagnerhaus in Nordfrankreich und auch ein Jahr in Kalifornien im Napa Valley auf dem bekannten Weingut von Paul Hobbs gearbeitet. Pierre hat den Betrieb von Terre Vieille vor gut fünf Jahren von seinem Vater übernommen. Genau zu der Zeit, als die grausamen Wetterkapriolen mit Frost und Hagelstürmen begannen und die Region heimsuchten. Ironischerweise war seinem Vater in dessen erstem Jahr genau das Gleiche passiert, als schlechtes Wetter seine erste Ernte 1992 zunichtegemacht hatte. Die Ernte sieht dieses Jahr bisher ganz vernünftig aus, aber der lange heisse Sommer mit wenig Regen gibt dennoch Grund zur Sorge.
Der lange heisse Sommer
«Mein Vater hat mir immer gesagt, dass der Wein nicht im Keller, sondern im Terroir gemacht wird und dass es Unterschiede zwischen schweren und leichten Böden und Zonen mit Schatten und ohne gibt», erklärte mir Pierre. «Die Rebstöcke selbst sind nur Teil eines Ökosystems, zu dem unsere Böden, unsere Hecken, Wälder und Wildtiere gehören.» Pierre interessiert sich unter anderem für den Ansatz, Oliven-
und andere Bäume zwischen die Rebstöcke zu pflanzen, um ihnen Schatten zu spenden, wie es in südeuropäischen und georgischen Weinbergen geschieht. Eine Tradition, die bis in die Römerzeit zurückreicht.
In diesem Jahr mit den grossen Hitzewellen war es ernüchternd,
dass einige Weinberge im Departement Aude, in der Gegend
von Limoux und Carcassonne, bereits im Juli mit der Weinlese begonnen haben – was bis dahin fast nie vorgekommen ist. Ja,
die Zeiten ändern sich!
Oliven zwischen die Rebstöcke pflanzen
Château zum Entdecken :
CHÂTEAU TERRE VIEILLE
chateauterrevieille.com
Die Destination Dordogne-Périgord setzt sich aus vier Zonen zusammen, die zusammen als «Les quatre Périgords» oder «Les quatre couleurs du Périgord» bezeichnet werden – und natürlich enthält jede ganz spezifische Merkmale, die ihre Einzigartigkeit ausmachen. Man spricht vom Périgord Vert im Norden, dem Périgord Blanc im Zentrum, dem Périgord Pourpre, das für die Weinproduktion bekannt ist, und dem Périgord Noir im Osten, das weltweit einen guten Ruf wegen seiner schwarzen Trüffel und Walnüsse geniesst. Château Terre Vieille befindet sich im purpurroten Périgord, das seinen Namen durch die herbstliche Purpurfärbung der Weinreben erhalten hat. In diesem Gebiet liegen die Weinberge von Bergerac, Monbazillac und Pécharmant.
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